Geschichten erzählen, Interesse wecken
KURZ GESAGT
Schreiben lernen wir in der Volksschule.
Aber so schreiben, dass andere das gern lesen, das erfahren Sie hier.
Die bekannte Schriftstellerin und Regisseurin Doris Dörrie sieht im Schreiben eine Methode, intensiver zu leben: „Schreiben heißt die Welt einatmen.“ Die Welt der Pfarre ist voller Geschichten: Ein Paar meldet sein erstes Kind zur Taufe an. Eine junge Frau sitzt weinend in der Pfarrkanzlei, ihr Mann ist gestorben. Die Sternsinger stürmen in den Pfarrhof und freuen sich aufs Mittagessen. Anderswo gewinnt ein Kirchenchor einen großen Musikpreis, und dort wollen zwei Kinder unbedingt einen Palmbuschen binden. Kleine Szenen, aber jener Gesprächsstoff, aus dem man gute Geschichten schneidern kann. Gute Geschichten sind zu 90 Prozent Handwerk und 10 Prozent Geheimnis, sagen Fachleute.
Egal, ob Sie für das Pfarrblatt, die Website oder andere Medien schreiben, also ein Interview führen, ein Porträt schreiben, vom jährlichen Flohmarkt berichten oder von der Erstkommunion und dem Ausflug der SeniorInnen im Herbst: Stets schreiben Sie von und über Menschen, ihren Einsatz und ihren Zugang zur Welt.
Kern-Forschung
Tipp 1: Suchen Sie das Geheimnis hinter dieser Geschichte. Beispielsweise bei Ihrem Text „Erstkommunion“: Was bewegt die Kinder, die Eltern? Welche Erinnerungen haben letztere? Was bewegt Anna, die unsicher wird, wenn sie an diesen Tag denkt? Was bewegt Felix, der so lässig tut? Was wollen die Tischeltern den Kindern mitgeben, was will der Priester vermitteln? Viele Akteure, viele Geschichten, die es verdienen in all dieser Liebe erzählt zu werden. Notieren Sie die Namen derer, die Sie befragen, interviewen, von denen Sie erzählen wollen, nehmen Sie sich ausreichend Zeit zum Recherchieren und Schreiben sowie ausreichend Platz im jeweiligen Medium. „Erstkommunion: ein Tag, viele Geschichten“
Tipp 2: Denken Sie an Ihre Leserinnen und Leser. Was interessiert sie wohl am Beitrag über die Erstkommunion? Welche Textmarker setzen Sie als Autorin, als Autor, um neugierig zu machen? Was macht den Text interessant, welche Passagen wecken Erinnerungen, welche sind so langweilig, dass Sie sie einfach streichen sollten?
Texte sind Gespräche mit den Leserinnen und Lesern
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit einer zukünftigen Leserin Ihrer Texte am Tisch, vielleicht trinken Sie mit ihr Tee und wollen vor allem eines erreichen: Sie soll bei Ihnen bleiben und Ihnen zuhören. “Wie bereits vor einem Jahr, so sind auch heuer ...“, bei solchen Formulierungen würde Ihr Gegenüber schnell austrinken und gehen. „Wie Sie alle wissen, ist es auch heuer wieder ...“ – Ihr Gegenüber weiß das, was Sie für allgemeines Pfarrwissen halten, vielleicht nicht. Vielleicht ist Ihrem Gegenüber auch nicht klar, was ein PGR ist? Erklären Sie Begriffe, die Ihnen vertraut sind so, dass das Gegenüber weiß, wovon Sie erzählen wollen, nur dann wird es bleiben, interessiert zuhören. Stellen Sie sich beim Verfassen Ihrer Texte ein solches fiktives Gespräch vor: Wann nickt das Gegenüber, wann runzelt es die Stirn, welche Fragen tauchen auf?
Titel und Untertitel sind Türöffner
„Wir sind Papst“ „Kann ein Mann Kanzlerin?” Beide Titel oder Headlines sind noch vielen in Erinnerung. Wenn der Titel gelungen ist, haben Sie Ihre LeserInnen zum ersten Mal erreicht, weil sie neugierig wurden, weil sie lachen oder schmunzeln mussten, weil Sie sie emotional angesprochen haben und weil klar ist, dass es im Text nicht nur um Fakten geht.
Beginnen Sie mit einem Brainstorming, lassen Sie sich Zeit, vielleicht verfassen Sie auch den Text zuerst, dann finden Sie Titel und Untertitel. Überfordern Sie sich und Ihre LeserInnen nicht mit dem Haschen nach Witzigkeit und Originalität.
„Gelacht, gebetet, gefeiert“ wäre ein möglicher Titel des Berichts über den „SeniorInnenausflug“. Untertitel, auch Vorspann genannt: „56 SeniorInnen genossen den Kurzurlaub nach Rust“. Bleiben bzw. werden Sie konkret: Wohin ging der Ausflug? Die LeserInnen können sich mit dieser Angabe diesen Ausflug konkret vorstellen, Sie erreichen sie emotional – so eine Freude! Rust, das ist schön! – und entstauben den Begriff „Unser jährlicher Seniorenausflug“.
Mit der Schlagzeile wecken Sie das Interesse, mit dem Untertitel geben Sie kurze Informationen zum Inhalt des Textes.
Lead oder Teaser – so machen Sie LeserInnen neugierig
Als Lead – im Onlinebereich sprechen wir von Teaser – bezeichnet man den ersten Satz einer Agenturmeldung: ER ist im Perfekt verfasst, soll nicht mehr als 30 Wörter umfassen und den Inhalt des folgenden Textes zusammenfassen und zwar so, dass er das Interesse der Lesenden weckt.
Zwischentitel
Umgangssprachlich heißt es, man solle nicht in „einer Wurst schreiben“, und das stimmt. Jeder Zwischentitel ist der Ausblick, eine kleine Tür sozusagen, in die folgenden Textzeilen. So finden Ihre LeserInnen den roten Faden immer wieder. Es ist in der Praxis durchaus üblich, den Text zu schreiben und erst dann beim Durchlesen/Redigieren die Zwischentitel einzufügen. Wann das geschieht, ist Übungs- und Geschmacksache.
Klare Ansagen: Schreiben Sie einfach
Komplexe Zusammenhänge einfach darzustellen, braucht zum einen Übung, zum anderen die Erkenntnis, dass „kompliziert“ nicht „intelligent“ bedeutet, und dass „einfach und verständlich“ zu schreiben ein Service und keine intellektuelle Schwäche ist. Verzichten Sie auf Schachtelsätze und komplizierte Wörter wie etwa „Pfarrgemeinderatsvorstandwahl“, denn Ihre LeserInnen verstehen „Wahl des Vorstands des Pfarrgemeinderats“ besser.
Mit Leichtigkeit
Je stärker Sie Ihre Texte von Worthülsen, Schachtel- und Passivsätzen befreien, desto leichter lesen sich Ihre Sätze, Beschreibungen und Interviews. Was mühsam geschrieben ist, kann man nur mit Mühe und Anstrengung lesen. Mut zur Leichtigkeit, zur einfachen Sprache, zur Direktheit tun Leserinnen und Autorinnen gut.
Wenig Passiv und Substantiv
Verzichten Sie auf Passivsätze, verwenden Sie Verben anstelle von Substantivierungen („finden“ anstelle von „Findung“, „umsetzen anstelle von „Umsetzung“).
Nicht: „Die Phase der Kandidatinnenfindung wurde zeitnah abgeschlossen“. Oder: „Die technische Realisierbarkeit des Projekts XXX wird bis Ende des Jahres geprüft worden sein.“ Das sind keine grammatisch falschen Sätze, aber sie bieten wenig Information und laden nicht zum Weiterlesen ein.
Besser: „Pfarrgemeinderatswahl – die Liste steht. Zwanzig Frauen und Männer kandidieren für …"
Und: „Bitte noch ein wenig Geduld! Wir prüfen, ob wir unser Projekt XXX auch technisch umsetzen können.”
Keine Schachtelsätze
„Das Bauprojekt, das noch unter Pfarrer Huber entwickelt und von allen gut aufgenommen wurde, ist jetzt, nach einer genaueren Evaluierung, auf die nächste Arbeitsperiode verschoben worden.“
„Frau X., die vierzig Jahre engagiert den wunderschönen Pfarrkindergarten leitete, erzählt im Interview, das wir an ihrer alten Arbeitsstelle, die jetzt neu renoviert worden ist, führten, von ihren prägendsten Erinnerungen.“
Hier will jemand alles in einem Satz sagen: Man merkt die Atemlosigkeit, die Hektik beim Lesen und schon hört man mit dem Lesen auf. Dabei hätte einen ja die Geschichte von Frau X. interessiert.
Tipp: Nehmen Sie Ihre Texte, suchen Sie nach möglichen Schachtelsätzen, vereinfachen Sie diese Aussagen. Besser:
„Die Pfarre hat 2021 mit Freude den Umbau des Kindergartens beschlossen. Pfarrer Huber hat sich für die geplante Erweiterung stark gemacht, die Spendenaktion brachte 10.000 Euro ein. Der Umbau beginnt im August 2024, dann, wenn alle Mitglieder des Pfarrgemeinde- und -kirchenrats feststehen.“
„Anna X leitet vierzig Jahre den Pfarrkindergarten. Wir treffen einander an ihrem alten Arbeitsplatz. ‘Da hat sich viel verändert, die Renovierung war aber auch nötig!’, freut sich die Kindergartenpädagogin.”
Zu viel ist zu viel
Verzichten Sie auf das Anhäufen von Eigenschaftswörtern: „Wir sind eine kooperative, engagierte, hoch motivierte Gruppe.“ „Der heurige Pfarrausflug war wirklich ein sehr großes, wunderbares, unvergessliches Erlebnis!“
Es geht einfacher: Die Kombination „unvergessliches Erlebnis“ bietet keinen Mehrwert an Information, sie ist allseits bekannt und langweilig. An wie viele unvergessliche Erlebnisse erinnern wir uns bereits am nächsten Morgen nicht mehr!
Fertig? Dann bitte noch einmal zum Anfang zurück!
Geschafft und mehrfach erledigt: Fertig! Sie haben Ihre Texte – Interviews, Reportagen, Porträts – beendet, ausgedruckt, dann lesen Sie sie in einem Zug durch. Vergessen Sie jetzt die Tippfehler, achten Sie auf das „große Ganze“.
Suchen Sie nun noch einmal den roten Faden: Hat er sich verheddert? Wo genau, an welcher Stelle, ging er Ihnen verloren? Beziehen Sie sich am Ende Ihres Beitrags noch einmal auf Ihre Eingangsfrage, Ihren Titel/Untertitel? Ist Ihr Text womöglich mit zu vielen Details überladen? Könnten diese Details, etwa eines Umbaus, in eine Infobox kommen, damit der Fließtext gut lesbar wird? Wissen Ihre LeserInnen bereits ab dem ersten Absatz, worum es im Text geht? Sind Sie konsequent in Ihren Bezeichnungen: Eintritt, Eintrittskosten, Teilnahmegebühr – das kann LeserInnen verwirren. Wo wiederholen Sie Aussagen? Verzichten Sie auf Wiederholungen, setzen Sie auf Präzision beim Formulieren.
Und wer sind Sie?
Die Texte sind fertig! Halt, da fehlt doch der Hinweis auf die Autorin, den Autor?
M.M. – nun, Sie kennen Ihre Kürzel, Ihr Redaktionsteam auch. Aber die LeserInnen wohl eher nicht. Vorname, Familienname, kurze Bezeichnung Ihrer Tätigkeit.
Tipp: Die Salzburger Straßenzeitung Apropos lädt ihre AutorInnen zum „Wordrap“ – zum Schreiben kurzer Sätze, Satzfragmente, einzelner Wörter – ein.
Christina Repolust
Mag – Katzen
Freut sich auf – ein neues Buch von Anne Holt
Widersteht – keiner Versuchung
Manfred Mustermann
Mag – die Stimmung in der Kirche am Sonntag
Freut sich auf – die Pilgerreise zu Pfingsten
Widersteht – der Versuchung, zu komplizierte Texte zu schreiben
Text: Christina Repolust, Erzdiözese Salzburg