
80 Jahre Kriegsende: Van der Bellen würdigt Widerstandspriester Maier
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat beim Staatsakt zum 80. Jahrestag der Wiedererrichtung der Republik Österreich den katholischen Priester Kaplan Heinrich Maier als herausragendes Beispiel für Widerstand und Zivilcourage gewürdigt. In seiner Rede im Zeremoniensaal der Wiener Hofburg am Sonntag - 80 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung am 27. April 1945 - hob das Staatsoberhaupt die Bedeutung einzelner Persönlichkeiten hervor, die in den dunkelsten Jahren der NS-Herrschaft den Glauben an ein freies und demokratisches Österreich aufrechterhielten.
Kaplan Heinrich Maier war Teil der sogenannten Maier-Messner-Caldonazzi-Gruppe, deren Ziel die rasche militärische Niederlage Hitlerdeutschlands und die Wiedererrichtung eines unabhängigen Österreichs war. In Zusammenarbeit mit westalliierten Geheimdiensten gab die Gruppe wichtige Informationen über die NS-Kriegsproduktion weiter. Diese Aufklärungsarbeit ermöglichte es den Alliierten, militärisch relevante Ziele präziser zu bombardieren und so Wohngebiete möglichst zu verschonen.
Maier, der am 22. März 1945 in Wien enthauptet wurde, hätte wie auch seine Mitstreiter nicht aus Aussicht auf Erfolg, sondern aus tiefster Überzeugung für Freiheit, Gleichheit und Demokratie gehandelt, so der Bundespräsident. Die Taten der Beteiligten seien Ausdruck eines Widerstands, der den "Puls Österreichs am Schlagen" gehalten habe.
Grundlage für Zweite Republik
Auch an andere Personen im Widerstand - die sogenannte "O5"-Gruppe, deren Zeichen bis heute beim Eingang des Wiener Stephansdomes zu sehen ist, sowie die die Sozialdemokratin Antonia Bruha - erinnerte Van der Bellen in seiner Rede. Viele von ihnen hätten die Früchte ihres Handelns nicht mehr selbst erlebt. Dennoch hätten sie die Grundlage für die spätere Unabhängigkeit und den Staatsvertrag gelegt, auf denen die Zweite Republik aufgebaut wurde.
"Selbst in den dunkelsten Tagen der Naziherrschaft, in denen es keine Aussicht auf ein Neuerstehen Österreichs gab" habe es Menschen gegeben, "in deren Herzen der Glaube an die Freiheit, an die Unabhängigkeit und an die Demokratie weiterlebte", so der Bundespräsident. Der totalitären Ideologie, "in der sich ein Mensch über den anderen erhöhen kann, um diesem im Namen einer imaginierten Überlegenheit alles zu nehmen, selbst das Leben", hätten die NS-Widerstandskämpfer hingegen keinen Glauben geschenkt.
"Geist der Lagerstraße"
Auch an den "Geist der Lagerstraße" erinnerte der Bundespräsident: Der Begriff, der sich auf die oftmals in Konzentrationslagern der Nazis geschehene Versöhnung und die Zusammenarbeit zwischen vormals erbittert verfeindeten Sozialdemokraten, Christlichsozialen und Kommunisten bezieht, sei ein "unfassbar schöner und zutiefst wahrhaftiger Mythos zur Neu-Gründung unserer Heimat", sagte Van der Bellen. Die Beteiligten hätten damals Respekt und Verständnis füreinander entwickelt, "Teile von sich selbst im anderen wiedererkannt" und die Bereitschaft zum Kompromiss erlernt - was bis heute in Gesellschaft und Politik wichtig sei.
Mit Blick auf die Gegenwart mahnte der Bundespräsident, dass auch heute Zivilcourage und aktives Eintreten für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gefragt seien. "Überzeugung lebt erst dann, wenn man mit Taten für sie einsteht", so Van der Bellen bei dem Staatsakt, an dem der St. Pöltner Bischof Alois Schwarz die österreichische Bischofskonferenz vertrat.
Zentrale Figur des Widerstandes
Heinrich Maier wurde am 16. Februar 1908 in Großweikersdorf geboren und galt als eine der prägenden Persönlichkeiten im Wiener Widerstand gegen das NS-Regime. Nach seiner Schulzeit in St. Pölten und Leoben sowie einem Studium der Theologie und Philosophie in Wien und Rom, wo er 1930 promovierte, wirkte Maier als Seelsorger und Pädagoge. Er engagierte sich früh in kirchlichen Jugendorganisationen und galt als charismatischer, kunst- und politikinteressierter Priester mit engem Bezug zur Jugend und hohem gesellschaftlichen Einfluss.
Mit dem Anschluss Österreichs 1938 verlor Maier seine Stelle als Religionslehrer, blieb jedoch in Wien-Gersthof als Kaplan aktiv und setzte seine akademischen Studien fort. Trotz kirchlicher Vorgaben agierte er zunehmend politisch und organisierte ab 1940 Widerstand gegen das NS-Regime, gemeinsam mit Mitstreitern wie Walter Caldonazzi und dem Industriellen Franz Josef Messner. Neben der militärischen Aufklärung der Alliierten arbeitete die Gruppe an politischen Konzepten für die Nachkriegszeit, plante ein monarchisch geprägtes Zentralkomitee und verfasste Flugblätter gegen das NS-Regime.
Nach Verrat seiner Tätigkeit wurde Maier im März 1944 von der Gestapo verhaftet, schwer gefoltert und vor dem Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Die Anklage lautete auf Hochverrat. Trotz der brutalen Verhöre versuchte er, seine Mitstreiter zu entlasten. Nach Monaten schwerer Misshandlungen im KZ Mauthausen wurde Maier schließlich im März 1945 nach Wien überstellt und zur Zwangsarbeit bei der Entschärfung nicht explodierter Bomben herangezogen. Seine letzten Worte vor seiner Enthauptung am 22. März im Wiener Landesgericht waren: "Es lebe Christus, der König! Es lebe Österreich!"
Quelle: kathpress