
Linzer Symposium über Nicäa-Konzilsjubiläum: "Weiterhin ein Kompass"
"Das Konzil von Nizäa (Nicäa) ist nicht nur ein Ereignis der Vergangenheit, sondern ein Kompass, der uns weiterhin zur vollen sichtbaren Einheit aller Christen führen muss": Diesen Ausspruch von Papst Leo XIV. hat die Vizerektorin der Katholischen Privat-Universität Linz (KU Linz), Klara-Antonia Csiszar, beim interdisziplinären Fachsymposium "Das Erbe von Nizäa. Kulturgeschichtliche, systematische, pastorale und anthropologische Perspektiven" bekräftigt. Die Veranstaltung fand vergangenen Donnerstag in Linz anlässlich des 1.700-Jahr-Jubiläums des ersten ökumenischen Konzils im Jahr 325 statt; Organisatoren waren die KU Linz in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz sowie der Stiftung Pro Oriente Linz.
In seiner Eröffnungsrede hob Diözesanbischof Manfred Scheuer die bleibende Relevanz des Konzils hervor, insbesondere im Hinblick auf universale Geschwisterlichkeit und Inkulturation. Er betonte, dass die frühe Kirche mit Nizäa einen entscheidenden Schritt in Richtung einer kulturell verankerten Theologie gesetzt habe, die es dem Christentum ermöglichte, sich über seinen ursprünglichen jüdischen Kontext hinaus zu entfalten. Rektor Johannes Reitinger von der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz zog Parallelen zwischen dem damaligen Ringen um eine gemeinsame Glaubensbasis und heutigen Herausforderungen in Bildungsfragen. Auch heute seien es zeitlose Prinzipien wie Gerechtigkeit, Frieden und Nachhaltigkeit, die grundlegende Orientierung bieten.
Im wissenschaftlichen Hauptteil der Tagung wurden acht Fachvorträge präsentiert, die das Konzil aus verschiedenen disziplinären Perspektiven beleuchteten. Die Theologin Annemarie Pilarski (Köln/Regensburg) analysierte die theologischen Kontroversen des Konzils und zeigte auf, dass sich die damaligen Streitlinien aus heutiger Sicht nur schwer eindeutig rekonstruieren lassen. Franz Gruber, Dogmatikprofessor an der KU Linz, skizzierte die mit Nizäa einsetzende Entstehung einer systematischen, akademisch geprägten Theologie, die die christliche Geistesgeschichte entscheidend prägte.
Die Fundamentaltheologin Isabella Guanzini interpretierte den Begriff "Erbe" aus biblisch-theologischer Perspektive als Instrument zur Kontextualisierung dogmatischer Aussagen in der Gegenwart. Der Schlüsselbegriff der "Wesensgleichheit" könne auf diese Weise in die jüdische Tradition Jesu eingebettet und dadurch in einer modernen Christologie neu erschlossen werden. Christian Spieß, Professor für Christliche Sozialwissenschaften, widmete sich der politischen Dimension des Konzils und der Rezeptionsgeschichte des Verhältnisses von Kirche und Staat. Er stellte unterschiedliche Modelle der Kooperation und Trennung dar und analysierte deren Entwicklung in Europa und Nordamerika bis in die Gegenwart.
Der Philosoph Michael Hofer thematisierte die Möglichkeit einer rationalen Rede von der Gegenwart Gottes im 21. Jahrhundert. Ausgehend von Immanuel Kant arbeitete er Weiterentwicklungen dieser Fragestellung bei Robert Reininger und Richard Heinrich heraus. Der Moraltheologe Michael Rosenberger untersuchte die Bußpraxis des Konzils aus ethischer Perspektive. Die Regelungen seien Ausdruck eines neuen kirchlichen Umgangs mit Schuld und zielten auf die Heilung sowohl des Individuums als auch der Gemeinschaft. Kritisch merkte er an, dass die Perspektive der Opfer dabei oft unberücksichtigt bleibe.
Zwei weitere Beiträge befassten sich mit liturgiegeschichtlichen Aspekten. Florian Wegscheider untersuchte anhand historischer Beispiele, wie liturgische Feiern nach dem Konzil zur Vermittlung zentraler Glaubensinhalte dienten. Diese Praxis sei als Bestandteil des kulturellen Erbes von Nizäa zu bewerten und könne auch für gegenwärtige Reformdiskussionen im liturgischen Bereich Anregungen bieten. Predrag Bukovec analysierte den sogenannten Osterfeststreit und die historischen Bemühungen um einen einheitlichen Ostertermin. Er zeigte auf, wie sich jüdische und christliche Kalendertraditionen gegenseitig beeinflussten und wie diese Auseinandersetzung grundlegende Fragen religiöser Identität berührte. Abschließend skizzierte er verschiedene Ansätze zur Überwindung der bis heute bestehenden Differenzen.
Quelle: kathpress