
Abt Eckerstorfer: "Viele leiden unter der Abwesenheit Gottes"
Bernhard Eckerstorfer, Abt von Stift Kremsmünster, sieht den gesellschaftlichen Wandel bei allen Schwierigkeiten durchaus auch als Chance für die Kirche. Denn die Botschaft des Christentums sei bleibend aktuell, wie er im Interview mit den "Oberösterreichischen Nachrichten" (Freitag) betonte: "Wir erleben momentan, dass Selbstverständlichkeiten schwinden. Eingefahrene Denkmuster und Handlungsweisen ändern sich." Viele Menschen würden unter der Abwesenheit Gottes leiden, so Eckerstorfer: "Das ist eigentlich auch das, was Christus selbst erlebt hat am Kreuz: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Wir haben heute eine Karsamstagsexistenz. Der Tod ist da, aber man wartet noch auf das neue Leben. Wir sind in einer Zwischenzeit."
Gerade Ostern zeige aber auch, dass der Umgang des Christentums mit Leid, mit Sterben und mit neuem Leben, auch durch den Tod hindurch, "eine große Aktualität hat", so Eckerstorfer.
Der gegenwärtige Plausibilitätsverlust betreffe nicht nur die Kirche. "Unsere Generation darf man nicht vergleichen mit früheren. Wir sind gesellschaftlich und politisch an Schallgrenzen gekommen, etwa was die westliche Demokratie betrifft", sagte der Abt: "Wir verstehen Russland nicht mehr, aber auch die USA nicht. Auch unser Gesundheitssystem, das alles gerät an Grenzen - ökonomisch, aber auch ethisch. Wir werden uns selbst zum Rätsel. Da wäre es ja komisch, wenn beim Glauben alles klar wäre."
Die Botschaft sei, "es ist eben nicht klar: Wenn du an Gott glaubst, sind deine Probleme nicht automatisch gelöst. Das muss man auch durchleiden. Das ist bitter." Es könne durchaus sein, dass das Christentum in späterer Zeit einen neuen Aufschwung erlebt. Er sehe seine Aufgabe und auch die seiner Gemeinschaft darin, "das wachzuhalten, was wirklich am Christentum lebensdienlich ist". Die Menschen müssten spüren, "da sind welche, die leben aus einer Quelle, die über diese Welt hinausreicht, wenn die versuchen, zu lieben und zu helfen - egal wo die Menschen stehen". Das lebe auch Papst Franziskus.
Eckerstorfer: "Das Christentum hat großes Potenzial. Es greift zu kurz, wenn man mit messbaren Zahlen zu früher vergleicht." Er sehe lebendige Familien, Jugendliche, die sich sehr wohl für Spiritualität interessieren. Es sei nicht mehr so messbar wie früher, als alle automatisch bei der Jungschar und bei der Fronleichnamsprozession waren. Aber dafür wachse manches andere. "Und da im Dialog zu sein und zu lernen, was die Menschen brauchen, das ist spannend."
Vielfältiges Stift
Auf das Stift Kremsmünster angesprochen meinte der Abt: "Ich bin selbst erstaunt, wie breit das Betätigungsfeld ist. Da ist zuerst einmal die Klostergemeinschaft, bestehend aus 39 Benediktinern, von 30 bis 92 Jahre alt. Das ist eine Lebensgemeinschaft, wir beten gemeinsam, wir essen gemeinsam, wir haben viele gemeinsame Aktivitäten. Es gibt 27 Pfarren, die von uns betreut werden, das Stiftsgymnasium mit 450 Schülerinnen und Schülern bis hin zu den Wirtschaftsbetrieben mit 80 Mitarbeitern."
Das Stift gebe es seit fast 1.250 Jahren, "das heißt, wir prägen auch die Region, sind Arbeitgeber, aber auch kulturelles und geistiges Zentrum, und da steht natürlich viel an". Es geht laut dem Abt darum, "Visionen zu entwickeln". Die Wirtschaftsbetriebe sollten dem dienen, "dass die benediktinische Gemeinschaft, die Pfarren möglichst effektiv und gut versorgt sind und unser Stiftsgymnasium unterstützt werden kann".
Eckerstorfer sprach in diesem Zusammenhang auch von einer "großen Herausforderung". Denn: "Wir müssen wirklich schauen, dass wir gut wirtschaften und nicht von der Substanz leben. Gerade was die Kirchenrenovierung betrifft, da sind wir auf Spenden angewiesen. Man kann durchaus sagen, es ist wirtschaftlich angespannt."
Eckerstorfer war am 25. Jänner zum neuen Abt des oberösterreichischen Benediktinerklosters gewählt worden. Die Abtbenediktion durch Bischof Manfred Scheuer erfolgte am 30. März.
Quelle: kathpress