
Glettler: Entgiftung von Herz und Geist durch Kunst und Spiritualität
Die Verbindung von Kunst und Spiritualität stand am vergangenen Samstag im Mittelpunkt einer prominent besetzten Veranstaltung mit dem Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler und dem Kärntner Superintendenten Manfred Sauer im Bildungshaus Sodalitas in Tainach/Tinje. Kunst und Spiritualität befähigten zu einer aufmerksameren Wahrnehmung des Lebens, so Bischof Glettler in seinen Ausführungen. Er sprach von einer notwendigen "Entgiftung des Herzens und des Geistes".
Der Innsbrucker Bischof, der für seine vermittelnde Tätigkeit zwischen Kirche und zeitgenössischer Kultur bekannt ist, nannte als erste und wichtigste Aufgabe der beiden Lebensbereiche Kunst und Spiritualität, dass sie zu einer "kritischen Distanz" befähigen, die angesichts des "alltäglichen Tsunamis an Bildern, Infos und Reizüberflutungen auf unseren Smartphones" überlebensnotwendig sei.
Christliche Spiritualität und Kunst seien weit mehr als eine "Suche nach Wellness und Wohlbefinden", die nicht selten zu Selbstgefälligkeit und Kitsch verleiteten. Eine biblisch fundierte Spiritualität führe vielmehr, "aus dem Modus der Aggression in den Modus der Ansprechbarkeit", so Bischof Glettler, der dabei auf eine Überlegung des Leipziger Soziologen Hartmut Rosa verwies: "Es braucht gerade angesichts der zunehmenden Härte im gesellschaftlichen Diskurs eine Entgiftung des Herzens und des Geistes. Beides kann durch Kunst und Spiritualität ermöglicht werden." Dies gelinge jedoch nur, wenn Menschen bereit seien, sich aus ihrer eigenen Wirklichkeitsblase herauslocken und "in einen Zwischenbereich verführen zu lassen, wo eingespielte Sicherheiten, Hör- und Sehgewohnheiten nicht mehr tragen". Glettler zeigte sich überzeugt, dass wir "in unserer Menschlichkeit wachsen, wenn wir diese Verunsicherung zulassen, um einander und der Welt insgesamt neu zu begegnen".
Das, was Kunst und Spiritualität für unsere Gesellschaft heute leisten können, sei, so Glettler, am besten mit den Begriffen "heilsame Unterbrechung, neu zu lernende Empathie und prophetischer Widerstand" zusammengefasst.
Der Bischof lud abschließend zur Ausstellung "Blicke nach innen - Nicäa" ein, die am 28. Mai auf Schloss Bruck in Lienz eröffnet wird. Ausgehend vom ersten Ökumenischen Konzil im Jahr 325 soll in dieser Schau eine Entwicklung der christlichen Bildtradition mit exemplarischen Werken alter und zeitgenössischer Kunst nachgezeichnet werden.
"Türöffner und Licht"
Superintendent Sauer würdigte in seinem Statement den früheren langjährigen Kärntner Bischof Egon Kapellari für dessen "großartige Brückenarbeit für das Verhältnis von Kunst und Religion". Beispielhaft für das diesbezügliche Wirken Bischof Kapellaris nannte Sauer die Ausstellung "ICH gegenüber" im Jahr 2000 auf Schloss Straßburg in Kärnten, in deren Rahmen 26 zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten in Bezug zu alter Sakralkunst gesetzt haben. Ebenso würdigte Sauer Kapellaris Buch "Bis das Licht hervorbricht. Fragen zwischen Kirche und Kunst".
Ausstellung und Buch seien für ihn bis heute, "eine wichtige und wertvolle Fundgrube sowie Impulsgeber für Predigten und Aufsätze zum Themenkreis Kunst und Spiritualität", erklärte Sauer. Kunst und Spiritualität würden "etwas zum Leuchten bringen und in Bewegung setzen". Beide seien Ausdrucksformen menschlicher Existenz und deshalb "Türöffner und Licht, das dann hervorbricht".
Der Superintendent verwies auf das von ihm initiierte Kunstprojekt "Markushof" in der Superintendentur als Begegnungsort von Kunst und Spiritualität. "Im Letzten ist dieser Dialog göttliches Geschenk und extrem bereichernd", sagte Sauer.
In seiner Begrüßung verwies Rektor Josef Kopeinig darauf, dass Kunst und Spiritualität "die große Sehnsucht nach Liebe, Schönheit und Ewigkeit" verbinde. Letztlich gehe es beiden darum, "im Geröll unseres Alltags die Goldadern des Heiligen zu entdecken".
Quelle: kathpress