Wie Sie Mechanismen der Irreführung erkennen.
Wie Sie Mechanismen der Irreführung erkennen.
Falschmeldungen prägen Diskussionen: Seien es die Super-Handys, die Flüchtlinge angeblich von der Caritas erhielten, seien es die Gemeindewohnungen, die so ungerecht verteilt würden, sei es die Klimakatastrophe, die nur eine Erfindung sein soll. Verschwörungsmythen und Falschmeldungen nahmen in der Pandemie zu. Es gilt nach wie vor: Diskutieren ist hart, es kann aber gelingen, wenn man einander zuhört, die Gesprächsbereitschaft des Gegenübers fördert und weiß, welche Diskussionsformen man besser vermeidet.
Die Journalistin und Kolumnistin Ingrid Brodnig gibt in ihrem neuen Buch „Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern“ konkrete Tipps, wie Fallstricke erkannt, Denkmuster aufgebrochen und effizienter diskutiert werden können. Nach der Lektüre weiß man deutlich mehr über die Macht der Fragen, den Stellenwert von Geduld und strategisches Diskutieren.
Anja ist zurückgekommen
Es ist das konkrete Fallbeispiel, an dem die Autorin aufzeigt, wie sich Menschen zu "Verschwörungsgläubigen" entwickeln. Sie stellt gleich eingangs ihren LeserInnen Anja Sanchez Mengeler, eine Frau in Norddeutschland, Mitte vierzig, vor: "Sie glaubte, die Welt würde von einer im Verborgenen bleibenden Elite geleitet; alle Medien würden gesteuert; wer eine andere Meinung vertrat, den oder die verdächtigte sie, dafür bezahlt zu werden." (S. 9)
Anja Sanchez Mengeler schaffte es jedoch, diese Schwurbel-Szene zu verlassen, sich wieder auf überprüfbare Fakten zu verlassen, sich an Diskussionen zu beteiligen und damit auch Unsicherheiten zuzulassen: Die Welt des Schwarz-Weiß-Denkens ist nur vermeintlich eine sichere. Bei der Lektüre wird deutlich, dass niemand plötzlich in die Welt der Verschwörungsmythen abrutscht, sondern dass die Veränderungen prozesshaft geschehen. Dazu einige Beispiele: Die Erzählungen von Rechtsaußen in Österreich wie in Deutschland "wir werden islamisiert!" beunruhigen viele, auch die "Chemtrails-Flieger" bieten Anlass zu Verschwörungsmythen und die Gerüchte über 12 Millionen Geflüchtete, die Angela Merkel angeblich nach Deutschland eingeladen haben sollte.
Impfung gegen unsinnige Argumente
In vier Kapitel aufgeteilt, zeigt die Autorin sehr konkret, wie Annäherung an ein Thema im Idealfall geschehen kann. Im ersten Kapitel beruhigt bereits die Kapitelüberschrift "Niemand ist zu hundert Prozent rational – daraus können wir einiges fürs Diskutieren lernen": Es gibt ein Wir, das etwas lernen will und o.k., niemand ist "perfekt", das gibt Hoffnung. Das zweite Kapitel wendet sich an die LeserInnen, spricht sie direkt an: "Vorsicht vor Wundermitteln und rhetorischen Ablenkungsmanövern", "Erkennen Sie die Macht der Fragen" und "Hier kommt die Impfung gegen unsinnige Argumente". Kapitel 3 "Wie erkennt man, wer tatsächlich Expertise hat?" spricht eine große Wahrheit gelassen aus: Menschen suchen die absolute Wahrheit/Gewissheit, und genau die kann ihnen Wissenschaft nicht prompt und zeitlos bieten.
"Gerade weil Wissenschaft keine Wahrheit verspricht, sondern auf der Bereitschaft aufbaut, die eigenen Annahmen zu hinterfragen, sollten wir sie ernst nehmen. Sie ist die rationalste Form der Wissensgenerierung, die wir Menschen bisher gefunden haben." (S. 90)
Das Buch
Ingrid Brodnig: Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online. Brandstätter Verlag 2021. 157 Seiten.
Die Autorin
Ingrid Brodnig, Jahrgang 1984, ist vielen LeserInnen als Journalistin und Kolumnistin bekannt – u. a. schreibt sie ihre wöchentliche Digitalkolumne im Nachrichtenmagazin "Profil" –. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich mit "Hass im Netz", "Lügen im Netz" und "Übermacht im Netz" sowohl in ihren gleichnamigen Büchern als auch als gefragte Vortragende und Teilnehmerin an Diskussionsrunden.